23. Mai 2016


Fragen an Dr. Dagmar Heydeck (VDH) und Dr. Bernd Tellhelm (GRSK) zum Thema IOCH

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Das Thema der IOCH Untersuchungen aus dem Jahr 2003 bewegt viele Mitglieder in unserem Verein. Panikmache und voreilige Reaktionen sind jedoch wenig hilfreich und absolut kontraproduktiv. Sie schaden dem VDW und dem Deutschen Wachtelhund. Nur eine objektive und sachliche Auseinandersetzung ist für unseren Verein und unsere Rasse zielführend. Zu diesem Zweck und im Sinne einer weiteren fundierten Auseinandersetzung mit dem Thema haben die Schriftführer im Auftrag der Zuchtleitung zwei namhaften Wissenschaftlern Fragen gestellt, deren Antworten im Folgenden aufgeführt sind. Wir bedanken uns bei Frau Dr. Heydeck und Herrn Dr. Tellhelm für Ihre Einschätzungen und Antworten zu dem Thema.

Mario Mende, Alexander Busch
Schriftführer

[su_row][su_column size=“1/2″]Dr. Bernd Tellhelm
Vorsitzender der Gesellschaft für Röntgendiagnostik genetisch beeinflußter Skeletterkrankungen bei Kleintieren e. V. (GRSK e. V.)
www.grsk.org

DWZ: Welchen Nutzen kann der Verein im Jahr 2016 aus den IOCH Untersuchungen des Jahres 2003 aus Ihrer Sicht ziehen?

Dr. Tellhelm: Als Basis für eine aktuelle Diskussion zu diesem Thema halte ich die Ergebnisse für veraltet. Sie stellen nicht den aktuellen Status dar. Sie basieren auch nicht auf einer Population, die eine sichere statistische Aussage erlaubt.

DWZ: Die IOCH Diagnosen aus diesen Listen sind zwischenzeitlich in unser Zuchtinformationssystem eingetragen worden. Würden Sie uns noch eine weitere Verwertung oder Auswertung der Daten dieser Liste empfehlen? Wenn ja welche?

Dr. Tellhelm: Die Ergebnisse sind ja Fakt und es kann auch weiter auf sie zugegriffen werden. Sie können aber keine alleinige Basis für eine heutige Zuchtentscheidung sein.
DWZ: Sind aus dieser Untersuchung der TiHO aus dem Jahr 2003 Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand in Sachen IOCH/ED im Jahr 2003 möglich?

Dr. Tellhelm: Nein. Vorselektiertes Material der TiHO. Bei anderer Studie nicht klar, wie die AP-Lagerung war – IOCH-Diagnose unsicher – gibt aber einen Anhaltspunkt.

DWZ: Ein Hund in der Liste mit der Diagnose DC hatte relativ viele Nachkommen. Was bedeutet DC genau und kann man sagen welcher ED-Bewertung das damals und auch heute entsprechen würde?

Dr. Tellhelm: DC= Distractio Cubiti. Im engeren Sinne „zu kurze Ulna“. Wird heute aber auch für „zu kurzen Radius“ verwendet. Bewertung abhängig vom Grad der Stufenbildung. (Anm: Von ED-0, ED-1) Bis ED-2 möglich. Ohne Stufe kein ED-Grad.

DWZ: Was ist ihre Empfehlung für einen weiteren Umgang des Vereins und der Zuchtverantwortlichen mit dieser Liste?

Dr. Tellhelm: Als Anregung, das Problem weiter zu verfolgen und aus neuen Daten dann gegebenenfalls Schlüsse zu ziehen.

DWZ: Es gibt Stimmen im Verein, die bemängeln, dass die Liste nicht sofort nach Erhalt im Januar 2016 an alle Mitglieder verteilt wurde. Der Verein hat die Liste zunächst durch das Mitglied des kleinen Zuchtausschusses Dr. Herbert Müsch aufarbeiten und auch die Abkürzungen erläutern lassen. Es steht der Vorwurf im Raum, dass man mit einer einige Wochen früheren Verteilung der 13 Jahre alten Liste evtl. Risikoverpaarungen im Zuchtjahr 2016 hätte vermeiden können. Wie sehen Sie das?

Dr. Tellhelm: Ohne vernünftige Aufarbeitung und Bewertung der Daten macht es keinen Sinn, sie zu veröffentlichen. Ein zu schnelles Vorgehen kann auch zu falschen Entscheidungen führen. Die Zuchtbasis sollte nicht unnötig verkleinert werden.

DWZ: Kann man überhaupt andere Diagnosen als IOCH, um die es in der damaligen Untersuchung ja ging, aus dieser Liste züchterisch verwerten? Lassen die sich in unser heutiges ED-Bewertungssystem evtl. übernehmen?

Dr. Tellhelm: Es haben sich seit dieser Zeit doch einige neue Erkenntnisse zur Erkennung von ED-relavanten Veränderungen ergeben, so dass damals eher pathologische Befunde nicht korrekt bewertet wurden. Das Bewertungssystem als solches hat sich nicht verändert.

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Dr. Dagmar Heydeck
Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats für Zucht und Forschung des VDH
www.vdh.de

DWZ: Es ist in 2003 eine ganze Reihe von Hunden mit Verdachtsmomenten in die Untersuchung eingeflossen. Was bedeutet das in Hinblick auf Aussagen auf die Gesamtpopulation?

Dr. Heydeck: Mit einer solchen Auswahl untersuchter Hunde können keine Rückschlüsse auf die Situation in der Gesamtpopulation gezogen werden. Dazu müsste man zufällig ausgewählte Hunde untersuchen oder einen hohen Prozentsatz aller Hunde eines oder besser mehrerer Zuchtjahre.

DWZ: Seit 2010 ist zur Erlangung der Zuchttauglichkeit eine Bewertung von ED-0 bzw. ED-1 notwendig. Anfang 2015 wurde der Anstellwinkel beim Röntgen verändert um IOCH besser erkennen zu können. Hunde mit einer kondylären Zugschraube im Ellenbogengelenk sind aufgrund eines IOCH Verdachts von der Zucht ausgeschlossen. Weitere Maßnahmen sind in der Diskussion. Hierzu hat unser Verein auch in Hinblick auf eine unterstützende Beratung Kontakt mit dem VDH aufgenommen. Sind diese Maßnahmen zum aktuellen Zeitpunkt aus Ihrer Sicht richtig und ggf. ausreichend? Oder sehen sie bereits jetzt Maßnahmen die möglichst sofort ergriffen werden müssten?

Dr. Heydeck: Ich halte diese Maßnahmen zum jetzigen Zeitpunkt für richtig. Für die seriöse Beurteilung der Situation in der Rasse müssen zunächst Daten gesammelt und ausgewertet werden, so dass man auf dieser Grundlage entscheiden kann, ob ein Zuchtprogramm erforderlich ist oder nicht.

DWZ: In einer zweiten Untersuchungsreihe auf IOCH hat man Hunde zufällig ausgesucht. Das Ergebnis waren laut den Unterlagen von Dr. Herbert Müsch 4,3% Hunde mit IOCH und 1,4% Hunde mit Verdacht auf IOCH. Wie kann man das bewerten? Sind züchterische Maßnahmen bei einer solchen Belastung erforderlich?

Dr. Heydeck: Das kann man anhand einer einmaligen Untersuchung nicht sagen, man muss den Trend analysieren. D. h. beobachten, ob die Anzahl zunimmt. Auf jeden Fall sollte man alle Zuchthunde untersuchen. Wenn eine Erkrankung trotz Ausschluss von Merkmalsträgern um 5% in der Population vorkommt, jedoch im weiteren Verlauf nicht ansteigt, werden weitere züchterische Maßnahmen nicht erfolgreich sein. Steigt der prozentuale Anteil betroffener Hunde jedoch an, muss man handeln und ein modifiziertes Zuchtprogramm entwickeln.

DWZ: Was ist Ihre Empfehlung in Hinblick auf einen weiteren Umgang mit diesen Listen aus 2003? Können wir noch einen züchterischen Nutzen daraus ziehen?

Dr. Heydeck: Das kommt darauf an, ob die untersuchten Hunde in der Zucht eingesetzt wurden. Falls ja, könnte man anhand der Untersuchungsergebnisse ihrer Nachkommen und Verwandten Rückschlüsse auf die Erblichkeit des Defekts ziehen, die man für eine solide Zuchtwertschätzung unbedingt benötigt. Voraussetzung ist natürlich, dass so viele Verwandte und Nachkommen untersucht wurden dass die Zuverlässigkeit der Schätzung über 30% liegt.

DWZ: Wie bewerten Sie aus Sicht des VDH zum jetzigen Zeitpunkt den Umgang des VDW in Sachen ED?

Dr. Heydeck: Der VDW hat die Untersuchung auf ED als Pflichtuntersuchung für alle Zuchttiere eingeführt und damit die erste Phase mit der Datensammlung und dem Ausschluss von Merkmalsträgern begonnen. Der VDW befindet sich daher im Einklang mit dem Phasenprogramm zur Bekämpfung erblicher Krankheiten und Defekte des VDH. Zur Auswertung dieser Daten und zur empfohlenen Zeitspanne der Datensammlung empfehle ich eine Beratung durch den wissenschaftlichen Beirat des VDH, der auf dieser Grundlage den VDW auch bei evtl. weiteren Maßnahmen wissenschaftlich begleiten wird.

DWZ: Gibt es in Hinblick auf ED Beispiele für unterschiedliche Erfahrungen bei den einzelnen Rassen zum Anteil der Erblichkeit?

Dr. Heydeck: Bei den unterschiedlichen Rassen gibt es unterschiedliche Erfahrungen bei der Selektion zur Bekämpfung von ED. Da ED ein Sammelbegriff für verschiedene Defekte ist, kann das auch nicht anders sein. Die Berechnung von verlässlichen Erblichkeits- und Zuchtwerten ist deshalb sehr schwierig.

DWZ: Gibt es aus Ihrer Sicht auch ein Risiko in Hinblick auf eine übereilige und zu starke Selektion auf ED bzw. IOCH? Wenn ja was könnten die Auswirkungen sein?

Dr. Heydeck: Eine zu starke Selektion auf ein polygenes Merkmal kann mit dem Risiko einer Verringerung der genetischen Variabiltät in der Rasse verbunden sein. Bei monogen vererbten Merkmalen ist das einfacher. Auswirkungen könnten Verluste der Fitness sein (Unfruchtbarkeit, kleine Würfe, Schwächung des Immunsystems usw.)

DWZ: Es gibt Personen, die die Meinung vertreten, dass die in 2003 nicht erfolgte Selektion verantwortlich sein könnte für heutige ED-Ergebnisse. Könnte dies eine realistische Sichtweise sein, dass durch eine einmalige Untersuchung wesentliche Effekte hätten erzielt werden können?

Dr. Heydeck: Aus einer einmaligen Untersuchung kann man kein Zuchtprogramm ableiten. Allerdings hätte man angesichts der Prozentzahl betroffener Hunde den Defekt im Auge behalten und mindestens weitere 2 Jahre Daten sammeln sollen, z.B. durch Untersuchung aller Hunde die ohnehin beim HD Röntgen sediert worden sind.

DWZ: Es gibt Forderungen anhand der in 2003 gefertigten Röntgenaufnahmen Hunde mit positiven Befund in der Liste auf den (damaligen) Grad ihrer Erkrankung nun zu untersuchen. Könnte dies aus Ihrer Sicht eine gute Strategie in Hinblick auf ED sein? Könnte uns dies züchterisch weiter bringen?

Dr. Heydeck: Es könnte Sie bezüglich der Erblichkeit weiter bringen, wenn Sie nicht nur diese Hunde nachbefunden lassen würden, sondern alle auf IOCH auswertbaren Aufnahmen der Vergangenheit nochmals anschauen lassen. Lassen Sie sich in dieser Sache von ihrem Gutachter beraten. Am besten Sie laden ihn einmal zu einem Vortrag ein, so können Sie sich am besten über die Auswertungskriterien nicht für IOCH sondern auch für ED und HD informieren.

DWZ: Welche Bedeutung haben aus Ihrer Sicht die Listen der IOCH Untersuchung von 2003 für den VDW und dessen Zucht?

Dr. Heydeck: Die Untersuchung zufällig ausgewählter Hunde in 2003 (Anm.: Untersuchung Dr. Schunk) war ein Schritt in die richtige Richtung, das hätte nur weiter verfolgt werden sollen.

DWZ: Welchen Nutzen kann der Verein im Jahr 2016 aus den IOCH Untersuchungen des Jahres 2003 ziehen?

Dr. Heydeck: Die Analyse von Nachkommen damals positiv untersuchter Hunde könnte u. U. Informationen zur Vererbung verschiedener ED-Grade in der Rasse geben.

DWZ: Sind aus dieser Untersuchung der TiHO aus dem Jahr 2003 Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand in Sachen IOCH/ED im Jahr 2003 möglich? Wenn nein, warum?

Dr. Heydeck: Wenn Sie damit die Untersuchung erkrankter Hunde meinen, dann nein. Das ist so, weil die untersuchten Tiere eine Negativselektion sind und nicht den Durchschnitt der Rasse widerspiegeln.

DWZ: Was ist ihre Empfehlung für einen weiteren Umgang des Vereins und der Zuchtverantwortlichen mit dieser Liste?

Dr. Heydeck: Sie können retrospektiv Informationen gewinnen durch Analyse der Nachzucht dieser Hunde. Ansonsten würde ich Ihnen empfehlen den Blick nach vorn zu richten und zu überlegen, wie Sie weiter vorgehen wollen.

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