
Die Anspannung ist da, keine Frage. Doch eigentlich ist es eine normale Drückjagd, die vor uns liegt, und doch ist es etwas völlig anderes: Mit unserer Bowie sind wir Anfang Januar 2025 in Schweden, um den Skogsprovet, den Waldtest, des Schwedischen Wachtelhundclubs zu erleben. Freund Jerry, der im schwedischen Wachtelhundclub aktiv ist, hat das ganze arrangiert.
Das Treiben und damit die Prüfungszeit dauert 90 Minuten. Der Hündin wird in einem Eichen-Buchenwald geschnallt, der abgestellt ist. Wir wollen ja auch Beute machen. Der einzige Unterschied zu einer normalen Jagd ist, dass kein weiterer Hund läuft. Bowie dreht zunächst die gewohnten Kreise. Auf dem Garmin verfolgen die beiden Richter die Laufwege der Hündin. Nach gut 6 Minuten knackt es im Funkgerät; Jerry hat zwei Rehe gesehen. Fast gleichzeitig hören wir Bowie fährtenlaut, was Jerry per Funk bestätigt. Die Anspannung weicht Erleichterung. Kriterium eins zum Bestehen der Prüfung erfüllt: Wild finden und laut jagen. Die beiden Stücke können Bowie für die nächsten 15 Minuten nicht abschütteln. Die Informationen der Telemetrie werden über Funk von den Standschützen bestätigt, von denen keiner zu Schuss kommt. Nach 20 Minuten ist Bowie zurück am Stand, stöbert ohne Aufforderung weiter. Als sie erneut am Stand vorbeikommt, wechseln wir den Standplatz. Bowie findet hier im größeren Umfeld kein Wild, so dass wir nach gut 20 Minuten nochmals wechseln. Diesmal findet sie schnell Rehwild und zeigt ihr typisches Verhalten. Im Prüfungsbericht wird später stehen:
„Morgens losgelassen, geht Bowie direkt hinaus und findet Rehwild innerhalb des Treibens, folgt mit gutem Laut. Als die Rehe das Treiben weiträumig verlassen haben, bricht der Hund ab und ist schnell wieder beim Führer. Nach Standwechsel wird der Hund wieder losgelassen und geht direkt hinaus und macht mehrere Suchgänge in einem sehr guten Tempo, findet und verfolgt dabei zuvor beobachtetes Rehwild.
Ein leistungsfähiger Hund, der in einem ausgezeichneten Tempo sucht und in kurzer Zeit viel Fläche einnimmt und am Ende des Triebes schnell zum Führer zurückkommt.“
Kategorie Intensitätsstufe Beschreibung
Länge der Suchengänge 3 5 min, akzeptable Suchbereitschaft.
Finderwille 5 Hund zeigt exzellente Wildfindungsfähigkeit.
Länge der Spurarbeit 4 bis 20 min, angemessener Trieb.
Spurarbeit 1: 16 min Rehwild
Spurarbeit 2: 12 min Rehwild
Spurlaut 4 Hund mit dichtem, ehrlichem Spurlaut
Kooperationsbereitschaft 4 Hund, der den Führer schnell findet, kommt beim Suchen schnell auf den Ruf.
Der Waldtest 1– was steckt dahinter
Die Waldprüfung ist eine Stöber-Prüfung für jagdlich erfahrene Hunde (Mindestalter 18 Monate). Die Hunde können durch die Prüfung Zuchtkriterien, insbesondere den Laut, nachweisen. Insgesamt dreimal kann ein Hund auf der Prüfung vorgestellt werden. Geprüft wird die zeitliche Länge des Stöberns, der Finderwille, die Länge der Spurarbeit sowie der Spurlaut. Zudem wird die Schussfestigkeit (fakultativ) beurteilt sowie die Kooperationsbereitschaft eingeschätzt, in die u.a. Beurteilung des Gehorsams einfließt.
Die Unterschiede
Der Waldtest ist inhaltlich vergleichbar zur JP. Dennoch gibt es entscheidende Unterschiede, was Durchführung, Beurteilung und Bestehen der Prüfung angeht. Grundvoraussetzung für das Bestehen ist, das der Hund Wild finden muss. Dies ist logisch, soll der Spurwille geprüft werden. In der Konsequenz muss ein Hund auch ausreichend Chancen haben, Wild zu finden. Dies wird über die Dauer der Prüfung, mindestens 90 Minuten Stöberzeit, sichergestellt. Dabei entsteht eine umfangreiche Bewertungsgrundlage aus Sichtbeobachtungen der Richter und Standschützen sowie Telemetriedaten.
Der primäre Unterschied zu unseren Prüfungen ist der Bewertungsmaßstab. Es wird nicht in Prädikaten, Noten, Fachwertziffern oder Punkten gerichtet. Vielmehr wird die Arbeit der Hunde in Intensitätsstufen eingeordnet, die über eine verbale Beschreibung charakterisiert sind. Die Stufen sind wertfrei beschreibend und damit gleichrangig. Zudem wird keine Gesamtpunktzahl berechnet oder Preise vergeben. Es gibt nur „bestanden“ oder „nicht bestanden“.
Spannend sind die Kriterien, die zu „nicht bestanden“ führen.
Je Prüfungsfach sind Intensitätsstufen definiert, die der Hund mindestens zeigen muss. Waidlaute oder (fast) stumme Hunde bestehen die Prüfung genauso wenig, wie Hunde, die sich nicht lösen (Mindestlänge selbstständiges Stöbern 3 Minuten). Zudem muss der Spurwille so sein, dass gefundenes Wild mindestens 5 Minuten auf der Fährte verfolgt wird.
Zusätzlich sind bei „Stöberanlage“ und „Spurwille“ Intensitätsstufen definiert, die für sehr triebstarke Hunde gelten und ebenfalls zu „nicht bestanden“ führen. Beispielsweise wenn die Stöberanlagen so ausgeprägt sind, dass Hunde gänzlich selbständig ohne Führerkontakt jagen. Ähnliches gilt für den Spurwillen: Eine Einstufung in die Intensitätsstufe 6 also „Spurarbeit an Reh- oder Damwild von mehr als 30 min und überwiegend außerhalb des abgestellten Bereiches“ führt zu „nicht bestanden“.
Uwe Ickler und Thomas Figge haben im vergangenen Jahr in einem Leserbrief unter dem Titel „Anforderungen an den Deutschen Wachtelhund – ist unsere PO noch zeitgemäß?“ zum Nachdenken angeregt. Persönlich habe ich viel Freude an Hunden, die auf der Hasenspur unter schwierigsten Bedingungen „über den Horizont gehen“, da solche Hunde über Willen, Nase und Konzentrationsfähigkeit verfügen. Solche „Brenner“ sind jedoch nur unter sehr speziellen Reviersituationen gefahrenlos einzusetzen. Von daher können diese Hunde nicht das züchterische Ideal darstellen. Entsprechend sind die Gedanken von U. Ickler/T. Figge nachzuvollziehen. Interessanterweise setzt die „Waldtest“-PO einige der Vorschläge des Leserbriefes um (Ortungsgeräte und Durchgeh-Hundeführer Regelung). Die schwedische PO geht aber mit Blick auf die Passion der Hunde noch weiter. Sie identifiziert triebstarke Hunde, die überpassioniert erscheinen. Diesen Gedanken füge ich den Vorschlägen von U. Ickler/T. Figge noch an. Es ist für mich ein interessanter Ansatz, passionierte und trotzdem führbare Hunde zu züchten.
Auch die Einstufung der Arbeiten in beschreibende, gleichrangige Intensitätsstufen ist aus Sicht der Zuchtsteuerung sehr zielführend. (Schul-)Noten und Gesamtpunktzahl helfen mit Blick auf die Zucht wenig, weil bei oberflächiger Betrachtung Mängel in einzelnen Bereichen kaschiert werden. Zudem wird über die Fachwertziffer die züchterische Wertigkeit verschoben. Die züchterische Eignung eines Hundes ergibt sich nicht aus der Gesamtpunktzahl, sondern daraus, ob in allen züchterisch relevanten Bereichen Mindestkriterien erfüllt sind und wie ein Hund in den einzelnen Fächern arbeitet. Mit diesen Informationen kann gezielt jagdlich gezüchtet werden. Glücklicherweise wird dieser Ansatz mit der Zuchtwertschätzung bereits verfolgt. Gehen wir diesen Weg doch einfach weiter.
1 Die Prüfungsordnung findet sich unter https://wachtelhundklubben-prod.storage.googleapis.com/wp-content/uploads/2024/08/SWK-Jaktprovsregler-2024-Faststalld-utgava-JhK-240610-1.pdf
Andreas Grauer


